
Ein Hirte à la Franziskus
Bischof Wilhelm Egger †. Aus dem Leben der Diözese Bozen-Brixen gerissen wurde ihr beliebter, ängstlicher und doch auf die „Hohen“ mutig zugehender Hirte.

Einen Bischof und eine Kirche „eingehüllt in eine Freude mit positiver optimistischer Ausstrahlung“ haben die Südtiroler erlebt, als im August Papst Benedikt XVI. in Brixen urlaubte. Diese letzten Eindrücke des Bischofs, der am 16. August plötzlich mit 68 Jahren einem Herzinfarkt erlag, „mögen für uns sein Vermächtnis sein“, hofft der Laie Georg Oberrauch, Präsident des „Katholischen Forums“: das Vermächtnis, „dass wir mit Freude und Optimismus an einem Neuaufbruch in unserer Kirche arbeiten, auf dass das ‚Heilige Land Tirol‘ nicht nur ein Schein des Augenblicks, sondern wieder eine gelebte Realität wird“.
Bischof Wilhelm Egger, wie sein Zwillingsbruder Kurt ein Kapuziner, stand 22 Jahre der Diözese Bozen-Brixen vor. Mit „Demut und pastoraler Intelligenz“ habe er seiner Diözese gedient und sie mit dem großen Herz eines Hirten geliebt, formuliert der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, Erzbischof von Genua. In den letzten Tagen habe „der Bischof gestrahlt, weil der Papst da war“, bestätigte der mit Wilhelm Egger befreundete Kardinal.
Benedikt XVI. selber reagierte auf die Todesnachricht beim Angelusgebet: „Der Verlust dieses gelehrten, liebenswürdigen und tieffrommen Bischofs bewegt mich sehr, durfte ich doch zwei Wochen als sein Gast mit ihm zusammen sein.“

Mit dem 1940 in Innsbruck geborenen Bischof schloss bald nach dessen Primiz 1965 Josef Innerhofer Feundschaft. Der damalige Schriftleiter des Katholischen Sonntagsblattes lud den Fachmann für Neues Testament ein, für die Kirchenzeitung Kommentare zum Sonntagsevangelium zu schreiben – und der Kapuziner lieferte jeweils zeitgerecht.
Vor seiner Ernennung zum Bischof habe Wilhelm „als Bibelgelehrter mit seinen Büchern und Studenten eher zurückgezogen“ gelebt, erinnert sich Innerhofer. Doch nach der Weihe „hatte er keine Hemmungen, auf die Leute zuzugehen; da war ihm kein Kardinal und kein Minister zu hoch“, freut sich der Medienfachmann über seinen Freund.
„Im Grunde der einfache Kapuziner“ sei der Bischof geblieben. Als man ihm geraten habe, sich für seine vielen Fahrten einen größeren Wagen anzuschaffen, sei er doch bei seinem franziskanisch einfachen Auto geblieben. Um ein Zeichen für die Bewahrung der Schöpfung zu setzen, habe er für längere Fahrten oft die Eisenbahn benutzt. Gleich seinem Ordensvater Franziskus habe er sich an den Schönheiten der Natur nie genug erfreuen können, erzählt Josef Innerhofer.
„Kein Kämpfer, sondern ein Mann des Dialogs“ sei er auch mit Rom gewesen. Die regelmäßigen Besuche bei den vatikanischen Ämtern seien eine seiner Stärken gewesen. Er habe negative Vorkommnisse in Südtirol nicht verschwiegen, aber so darzulegen gewusst, „dass man in Rom mit seinen Maßnahmen meist zufrieden war“. So habe er manche unliebsame Maßregelung verhütet.
Als „eher ängstlicher Typ“ sei Bischof Wilhelm im Winter gern Langlaufen gegangen, „aber die Abfahrt mochte er nicht“, schildert Innerhofer. „Manch Kluge“ haben bemängelt, die Predigten und Hirtenbriefe des Bischofs seien zu einfach. „Er hatte es nicht nötig, seine Intelligenz ständig unter Beweis zu stellen“, bemerkt der Journalist. Den international anerkannten Bibelwissenschaftler hatte der Papst zum Sondersekretär für die Bischofssynode über die Bibel heuer im Herbst ernannt.
JOHANN A. BAUER
„Syn“
Das griechische Wort „syn“ für „gemeinsam“ und „miteinander“ schrieb der Bibeltheologe Wilhelm Egger auf seinen Hirtenstab. „Syn“ meinte das gemeinsame Kirche-Bauen, aber auch das Miteinander der Volksgruppen.