

Das Mariahilf-Bild: Nähe trifft Ferne, Vergangenheit, trifft Gegenwart
Die Omnipräsenz des originalen Mariahilf-Bildes von Lukas Cranach d. Ä. zeigt sich in seiner Nähe im Rahmen der Fastenaktion im Dom, in einer Ausstellung im Innsbrucker Stadtarchiv/Stadtmuseum und derzeit im Museum Ferdinandeum, um nach beendeten Restaurie-rungsarbeiten wieder seinen Platz am fernen Hochaltar einzunehmen.
AURELIA BENEDIKT
„Mariahilf – displaced“. Der erste nahe Standort des Mariahilf-Bildes befand sich im Rahmen der Fastenaktion vor dem Seitenaltar des hl. Philipp Neri und der Gedenkstätte des sel. Provikars und Märtyrers Carl Lampert (siehe mittleres Bild). Die Intention, die zur Abnahme des Gnadenbildes vom Hochaltar und Aufstellung an einem Seitenaltar führte, war, den Beginn der Wallfahrt nach der Übertragung des Mariahilf-Bildes in die ehemals spätgotische Stadtpfarrkirche 1650 in Erinnerung zu rufen. In einer Seitenkapelle bot sich vielen Wallfahrenden die Möglichkeit, zum greifbar nahen Gnadenbild ein tiefgehendes Vertrauen aufzubauen. Während des Neubaus der Stadtpfarrkirche 1717-1724 fand es Aufnahme in der Spitalskirche. Einen Tag nach der Weihe der barocken St.-Jakobs-Kirche am 10. September 1724 erfolgte seine feierliche Einführung am Hochaltar. Der Strahlenkranz des Silberaltars betonte die herausragende Stellung des Mariahilf-Bildes. Allerdings rückte es für die Wallfahrenden in weite Ferne. Einen Ersatz bilden bis zum heutigen Tag die alljährlichen Säkulums-Feiern. In einer 9-tägigen Andacht wird vom Samstag bis zum Sonntag in der ersten Juliwoche das Jahrhundertereignis von 1750 anlässlich der Übertragung des Gnadenbildes erinnert. Im 2. Weltkrieg kam das Bild auf abenteuerliche Weise nach Gries im Sulztal, wo es hinter dem Ministranten-Kleiderschrank versteckt wurde, um es vor dem Zugriff von Vertretern des Naziregimes zu retten. Nach dem Wiederaufbau der Stadtpfarrkirche unter Propst Weingartner 1950, dessen Querschiff vom Bombenangriff am 16. Dezember 1944 stark zerstört wurde, nahm abermals das Mariahilf-Bild seinen Platz am Hochaltar ein.

„Oh, Maria hilf!“ Unter diesem Hilferuf lief eine Ausstellung des Stadtarchivs/Stadtmuseums vom 3. bis 22. Mai 2022, als die Innenrestaurierung im Dom ihren Anfang nahm. Der Titel führt die tiefgreifende Verschmelzung des Gnadenbildes mit dem Hilferuf vor Augen, den erstmals der Domdekan von Passau, Marquard von Schwendi, angesichts der Schlacht am Weißen Berg 1620 nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges getan hatte. In der auf wenige Exponate konzentrierten Ausstellung einschließlich des Mariahilf-Bildes, wurde sein Verlauf bis hin zu seiner unvorhersehbaren Popularität als Gnadenbild in eindrucksvoller Weise dokumentiert.
„Auf Augenhöhe“. So lautet der Titel der derzeitigen Ausstellung im Tiroler Landesmuseum. In einem zur Meditation anregenden Ambiente übt das Mariahilf-Bild auf die Museumsbesucher/innen eine Faszination aus. Durch seine Nähe wird die schlichte, ungekrönte Darstellung umso mehr ins Bewusstsein gerückt. Zudem stellt das Marienbild in unserem vom ökumenischen Geist geprägten Zeitalter Beziehungen zur lutherisch evangelischen Reformation her, da das nach 1537 gemalte Bild von Lukas Cranach d. Ä. unter dem Einfluss Martin Luthers entstanden ist, aber auch zur orthodoxen Kirche, zumal das Bildnis auf Vorbildern ostkirchlicher Ikonen beruht. Die Ausstellung ist bis 27. November zu sehen. Nach Abschluss der Innenrestaurierung des Doms wird das Gnadenbild wieder auf den Hochaltar zurückkehren. Daher bieten sich zwei „Jahrhundertchancen“: Mit dem Mariahilf-Bild im Ferdinandeum in eine Nahbeziehung zu treten und im Dom das Gerüst zu besteigen, um ganz nahe Ausschnitte aus dem Freskenzyklus des heiligen Jakobus als Kirchenpatron zu erleben. Es zeigt ihn in der dritten Kuppel vor dem Standbild der Muttergottes überstrahlt vom hl. Geist. Das Standbild – auch „Madonna del pilar“ – soll auf das Mariahilf-Bild hinweisen.
Auf Augenhöhe. Cranachs Kultbild. Ausstellung im Ferdinandeum Innsbruck. Öffnungszeiten: Di bis So, 10 bis 18 Uhr. Zu sehen bis 27. November
