

DISKUSSION ENTBRANNT
Das „Zwei-Päpste-Problem“
Vor Kurzem hat sich Benedikt XVI., der Papst im Ruhestand, mit seinen Ansichten zum Zölibat öffentlich geäußert. Seitdem wird diskutiert: Hat der Vatikan ein Zwei-Päpste-Problem?
VON KATHPRESS
Auch wenn sich nach der heftigen Aufregung, die ein neues Buch von Kardinal Robert Sarah zum Zölibat und die Beteiligung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. daran ausgelöst hatte, inzwischen der Pulverdampf langsam legt, so hat die Causa doch auch verdeutlicht, dass es im Vatikan so etwas wie ein „Zwei-Päpste-Problem“ gibt: Darauf verweisen in diesen Tagen gleich zwei österreichische Theologen in ihren Beiträgen in internationalen Zeitungen. Sowohl der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor-Maria Hoff („Die Zeit“) als auch der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück („Neue Zürcher Zeitung“) unterstreichen dabei die Dringlichkeit, das Problem eines „päpstlichen Schattenmanns“ zu lösen.
„Der Vatikan hat ein Problem“, schreibt etwa Hoff in der „Zeit“ (Ausgabe vom 16. Jänner) – und dieses Problem habe bereits mit der Titelwahl Benedikts nach dessen Rücktritt begonnen: Papa emeritus. Dazu Hoff: „Wer emeritiert ist, verliert ja Entscheidungskompetenzen, darf aber weiter lehren. Der Theologenpapst verhält sich seither wie ein emeritierter deutscher Professor: Er entscheidet nicht mehr, aber fühlt sich für die Lehre weiter zuständig.“ Dabei gerate diese seine Lehre zugleich „immer wieder in Kontrast zu der Reformagenda von Papst Franziskus“ – was wiederum die Anhänger Benedikts ausnützen würden, so Hoff.
Zum Skandal gereiche das Nebeneinander der beiden „weiß gewandeten Männer im Vatikan“ auch dadurch, dass Benedikt zwar „kindlichen Gehorsam“ gegenüber Franziskus versprochen habe, durch seine Wortmeldungen aber genau daran immer wieder Zweifel nähre: „Benedikt XVI. warnt vor der Kirchenspaltung, aber er forciert sie, wenn er an Franziskus appelliert, in Sachen Zölibat nichts zu ändern.“ Von Vertrauen in seinen Nachfolger „und damit auch von Vertrauen in die vom Heiligen Geist bestimmte Wahl von Franziskus zeugt das nicht“, so Hoff abschließend.
Tück: „Benedikt engt Handlungsspielraum von Franziskus ein“
Ähnlich die Einschätzung des Wiener Dogmatikers Jan-Heiner Tück in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (15. Jänner): Es werde durch die aktuelle Causa jenes Problem mehr als deutlich, „dass Benedikt nach seiner Abdankung nicht einfach den Status eines emeritierten Bischofs angenommen hat, sondern sowohl im Titel als auch in der Kleidung papale Insignien“ beibehalten habe. „Das Konstrukt eines emeritierten Papstes aber befördert es, dass seinen Wortmeldungen in der Öffentlichkeit eine außergewöhnliche Diskursmacht zukommt, die die Entscheidungsprozesse des amtierenden Papstes nicht unbeeinflusst lässt. Diese Diskursmacht ist institutionell nicht geregelt, sie kann dazu genutzt werden, den Handlungsspielraum von Franziskus einzuengen“, schreibt Tück.
Junge Kräfte werden gebündelt
Problematisch sehen sowohl Tück als auch Hoff außerdem den Zeitpunkt der Wortmeldung Benedikts, fällt dieser doch in jene pikante Phase des Wartens auf das nachsynodale Schreiben zur jüngsten Amazonien-Synode – ein Schreiben, in dem u.a. Aussagen von Papst Franziskus zur Frage der zumindest regional beschränkten Aufweichung der Zölibatspflicht in pastoralen Notsituationen erwartet werden. Mit seiner Wortmeldung habe nun aber „der alte Papst gesprochen, bevor der amtierende sprechen konnte“, so Hoff. Und Tück dazu ergänzend: „Für Franziskus wird es jedenfalls schwieriger, gegen das Votum seines Vorgängers Ausnahmen vom Zölibatsgesetz zuzulassen.“
Ein Nährboden für interne Opposition?
Auch abseits der beiden österreichischen Theologen Tück und Hoff sprechen auch andere Experten immer wieder von einer Situation, die für Papst Franziskus zumindest „nicht ganz leicht“ sein dürfte und offenbar eine „interne Opposition konservativer Kreise im Vatikan“ begünstigt. Falls es diese tatsächlich gibt, sieht sie der amtierende Papst Franziskus aber offenbar nicht als gravierendes Problem. Dies geht aus einem Text des Ex-Chefredakteurs der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“, Eugenio Scalfari, hervor. Scalfari besucht Papst Franziskus immer wieder zu langen Gesprächen im Vatikan und berichtet darüber aus seiner persönlichen Sicht und aus seiner Erinnerung. Nach einem vor ein paar Tagen in der „Repubblica“ publizierten Bericht Scalfaris antwortete Franziskus auf die Frage nach seinem Empfinden angesichts einer Gruppe von Kritikern demnach: „In einer Organisation mit Hunderten Millionen Menschen weltweit gibt es immer jemanden, der dagegen ist.“

Es gibt keine zwei Päpste
Mittlerweile hat sich auch der frühere Leiter der Römischen Glaubenskongregation, der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, in die Debatte miteingebracht: „Wir haben keine zwei Päpste, es gibt nur einen Papst, Franziskus“, sagte Müller der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“. Die Anrede als Papst emeritus sei eine reine Höflichkeitsform. „In Wirklichkeit ist Benedikt XVI. ein emeritierter Bischof “, so der Kardinal. Gleichzeitig widersprach Müller Deutungen, Benedikt XVI. mische sich durch Briefe und Aufsätze in die Amtsführung von Franziskus ein: „Alle Bischöfe, auch emeritierte, haben teil am Lehramt der Kirche und besitzen gemeinsam die Verantwortung für das katholische Glaubensgut“. In diesem Sinne könne sich folglich auch Benedikt XVI. öffentlich zu Wort melden.